Freiheit literatur

Freiheit bedeutet, dass die Menschen nach ihren eigenen Vorstellungen von einem „guten Leben“ leben können. Freiheit in diesem substan-ziellen Sinn bedeutet: bei sich sein, und zwar bei .

Eine Literaturgeschichte der Freiheit in 45 Einzelinterpretationen von Stefan Neuhaus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie frei kann ein Individuum in einer Gesellschaft überhaupt sein? Johann Wolfgang von Goethes Götz stirbt im Kerker, seine letzten Worte lauten: „Freiheit! Freiheit!“ Friedrich Schillers Marquis Posa fordert vom spanischen König Philipp: „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ Für die orientierungslosen Figuren der Gegenwartsliteratur gilt hingegen: „Die Freiheit kommt, wenn sie irrelevant geworden ist“ (Zygmunt Bauman). Freiheit ist der Schlüsselbegriff der Neueren deutschsprachigen Literaturgeschichte. Dazu kommt, dass Freiheit die Grundlage schöpferischer Produktion und damit der Entwicklung von Literatur ist. Der als Einführung konzipierte Band Grundriss der Jüngeren deutschsprachigen Literaturgeschichte von Stefan Neuhaus gibt nicht nur einen Überblick über die deutschsprachige Literaturgeschichte in längerem, größere Epochenbündel charakterisierenden Kapiteln und 45 Einzelinterpretationen, vom Drama über den Lyrikband und die Novelle bis zum Roman, sondern verknüpft diesen Überblick auch mittels der zentralen Frage nach der (Un-)Möglichkeit, frei an sein.

Seit der Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert wird das Individuum aus der bisherigen christlich-feudalen Ordnung gelöst und kann zunehmend seinen eigenen Lebensweg bestimmen. Doch die Abwesenheit äußerer Zwänge führt an der Frage, wie frei ein Individuum sein darf, ohne die Freiheit der anderen einzuschränken. Die im 20. Jahrhundert zunehmende Lösung alltäglicher Bindungen in Beruf und Familie erzeugt ambivalente Freiheiten, die mit Wohlstand und Mobilität, wechselnden Sozialbeziehungen und Einsamkeit einhergehen. Das jüngere Literatur reflektiert deshalb ihre eigenen Voraussetzungen mittels. Nicht nur die Figuren haben Wahlmöglichkeiten, die siehe überfordern können, auch Sprache, Stil und Form werden zunehmend variabel eingesetzt und bei der Leserschaft an ihre Tauglichkeit getestet. Die ernstzunehmende Literatur fordert den autonomen Leser, denn die Freiheit der Literatur ist von der Freiheit der Interpretation nicht zu trennen.

Verlag LiteraturWissenschaft.de

LESERBRIEF SCHREIBEN
DIESEN BEITRAG WEITEREMPFEHLEN
DRUCKVERSION
NEWSLETTER BESTELLEN